Die Digitalisierung zieht auch in die Anwaltskanzleien ein, in Anlehnung an “FinTech” oder “BioTech” heißen entsprechende Softwareprodukte “LegalTech”. Viele Online-Dienste gehören dazu. Sie automatisieren oder erleichtern juristische Arbeitsprozesse. Das hat Auswirkungen auf die Kanzleien und auf ihre Klienten gleichermaßen.
Kategorien der LegalTech-Anbieter
Es lassen sich grob die beiden Kategorien der Software-Anbieter und der softwarebasierten juristischen Marktplätze unterscheiden. Letztere beobachtet naturgemäß die traditionelle Rechtsberatungsbranche. Das beratungsintensive Geschäft ist möglicherweise durch noch so viel Software nicht umzukrempeln – so die Auffassung eines Teils der Juristen. Andererseits geht es um Unmengen von Fakten, Gesetzen und Urteilen, die am besten über eine spezielle Software bereitgestellt werden. Sie Subsumierung kann durchaus ein “Roboter-Anwalt” übernehmen, so eine gegenteilige Vermutung und auch Befürchtung. Die Juristen haben dabei weniger Bedenken, ihren Job zu verlieren.
Sie fürchten vielmehr um die Qualität der Rechtsberatung, die auch davon lebt, dass ein Anwalt die Grauzonen und feinen Schattenspiele der Rechtsprechung kennt.
Die aktuellen Auswirkungen von LegalTech-Anwendungen
LegalTech stellt zu einem großen Teil Software für Rechtsanwälte bereit, die der Dokumentenanalyse dient. Solche Tools basieren auf Big Data und Machine Learning. Sie helfen den Kanzleien, große Datenmengen effizient zu analysieren. Auch erlauben sie die intelligente Suche nach bestimmten Ergebnissen. Ein anderer Bereich der Software dient der automatisierten Dokumentenerstellung. Sie ermöglicht das Anpassen von Geschäftsbedingungen, Arbeitsverträgen und Testamenten an die Wünsche eines Mandanten. Die Law-Practice-Management-Software verwaltet Fall- und Kundenakten, die Terminierung, Rechnungslegung und Abgabefristen. Das erleichtert die praktische Büroarbeit eines Anwalts ungemein. Die Auswirkungen solcher Softwareprogramme empfinden Juristen als durchweg positiv, denn sie erhöhen die Effizienz. Den Roboter-Anwalt gibt es hingegen noch nicht. Damit entfällt die Befürchtung, er können nicht nur den Juristen die Arbeitsplätze rauben, sondern auch noch den Mandanten fragwürdige Ratschläge erteilen. Für die Klienten gibt es allerdings schon digitale Rechtsprodukte auf Rechtsmarktplätzen, die zu Festpreisen bestimmte Routinearbeiten automatisiert übernehmen. Das sind unter anderem
die Erstellung von Testamenten,
die Erstellung von AGB und
die Überprüfung von Arbeits- oder Mietverträgen.
Diese Angebote werden bislang noch zögerlich genutzt, was dafür spricht, dass die meisten Menschen lieber einen menschlichen Anwalt befragen – selbst wenn das etwas teurer ist. Dabei ist die Intention, zu günstigen Preisen standardisierte Rechtsprodukte abrufen zu können, durchaus zu begrüßen. Auch profitieren die Verbraucher von hoher Kostentransparenz und der kompletten Online-Beratung, die ihnen immerhin Wege erspart. Solche Marktplätze entwickeln sich in Deutschland gerade erst (Stand: Februar 2018).
LegalTech für juristische Nischenprobleme
Die prominentesten LegalTech-Anbieter haben sich auf Nischenlösungen spezialisiert. Sie kümmern sich um Entschädigungen im Reisebereich (Flugausfälle, Zugverspätungen, generelle Reisemängel), um Bußgeldbescheide im Straßenverkehr, um die Rückerstattung bei fehlerhaften Lebensversicherungsverträgen, um die Überprüfung von Hartz-IV-Bescheiden und ganz aktuell auch um Verbraucherrechte wegen des Diesel-Abgasskandals. Es gibt bei diesen Anbietern, die auf LegalTech-Software zurückgreifen und ihre Dienste online offerieren, drei Kostenmodelle. Alle drei bergen für den Klienten kaum ein Risiko:
Eine Rechtsschutzversicherung übernimmt die Kosten.
Es gibt eine Prozesskosten-Finanzierung.
Die Anbieter erhalten bei einem juristischen Sieg ihres Mandanten eine Provision.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Das wenigstens vordergründig fehlende Prozesskostenrisiko gehört dazu, aber auch die Art der Problemstellungen mit ihren sehr vielen (für Vergleichszwecke nützlichen) Standardfällen und -urteilen zieht eine große Klientengruppe an. Möglicherweise trennt sich hier ein Teilbereich des Rechtswesens, der einfach gut digitalisierbar ist, von der komplexeren Rechtsberatung und -vertretung ab. In die Kategorie der simpel zu erstellenden digitalen Rechtsprodukte gehören zweifellos auch die vielen Verträge, die zum Download und dabei vollständig personalisiert bereitstehen. Menschen können heute ihre Patientenverfügung oder ihr Testament nach der Beantwortung einiger Fragen vollkommen individuell mithilfe einer Online-Vorlage erstellen.
LegalTech: künftige Entwicklungen
Zukünftige Veränderungen auf dem Rechtsmarkt infolge des Vormarsches von LegalTech sind schon absehbar. Wie immer spielt der angloamerikanische Raum eine Vorreiterrolle. In den USA und in Großbritannien beantworten inzwischen sogenannte LegalChatbots auch im Rahmen der Erstkommunikation einfache Rechtsfragen. Sie nehmen darüber hinaus die Daten der Mandanten auf und damit einer Rechtsanwaltsgehilfin die Arbeit ab. Im Bereich der digitalen Datenverwaltung setzen die LegalTech-Firmen auch auf die Blockchain-Technologie, welche a) die sichere Verwaltung großer Datenmengen und b) das Operieren mit Smart Contracts ermöglicht. Beide Aspekte könnten den digitalen Rechtsmarkt revolutionieren. Unter anderem ließen sich damit ganze Vertragsabläufe automatisiert abwickeln. Wie schnell die gegenwärtige Entwicklung in diese Richtung führt, ist zum aktuellen Zeitpunkt (Anfang 2018) schwer absehbar. Gerade bei kleineren Kanzleien beginnt sich LegalTech soeben erst zu etablieren – vorläufig in Form von Softwareprogrammen für die Terminverwaltung, Abrechnung und bestenfalls Dokumentenverwaltung der Kanzlei. Aus dem universitären Bereich Kerneuropas ist bislang noch wenig zur Problematik zu vernehmen, doch gerade Anwälte orientieren sich sehr stark an der akademischen Diskussion. Das verzögert etwas den Vormarsch von LegalTech, jedoch sind sich Experten einig, dass der Trend an sich nicht aufzuhalten ist. Die Digitalisierung durchdringt alle Lebensbereiche, wie wird um das Rechtswesen keinen Bogen machen. Anwälte werden damit leben, dass ihnen die Software lästige Routinearbeit abnimmt und auch teilweise ihre Kerntätigkeiten übernimmt. Ein Roboter als Verhandler vor Gericht ist zwar (noch) nicht vorstellbar, ein Roboter als Online-Berater hingegen schon. Das Bedürfnis ist bei den Klienten sehr stark ausgeprägt. Die Menschen googeln alles – allzu gern würden sie auch zu einem Rechtsproblem eine blitzschnelle, kompetente und dabei möglichst kostenlose Auskunft erhalten.
Fazit: Arrangement mit LegalTech ist nützlich
Anwälte sollten gegen LegalTech nicht prinzipiell polemisieren, das wäre Maschinenstürmerei. Es wird zwar Fälle geben, in denen ein beratender Rechts-Roboter versagt, aber das ist kein Grund zur Häme. Nützlicher für die Juristen ist es, sich mit dem Phänomen zu arrangieren und dadurch die Effizienz der eigenen Kanzlei zu erhöhen. Der Anwalt berät dann nur noch zu komplexen Fragestellungen, zudem vertritt er die Klienten vor Gericht. Eine wirkliche wirtschaftliche Relevanz messen Beobachter den stark wachsenden Rechtsmarktplätzen zu. Wenn diese mit Qualität überzeugen können, dürfte der Klientenzuspruch in den nächsten Jahren signifikant steigen.
Dies ist ein journalistischer Beitrag nach bestem Wissen und Gewissen. Der Recherchestand entspricht dem Veröffentlichungsdatum des Artikels.
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