Kann ein Richter tun und lassen was er will?

Was denken Sie, woher mag die Aussage stammen, dass es sich bei einem „vom Richter unterschriebenen Dokument nicht auch nur ansatzweise um ein […] begründetes Urteil, sondern schlicht um eine Frechheit“ handelt?

Das klingt doch sehr nach einem zornigen Kommentar eines Lesers, der sich über ein Gerichtsurteil ärgert, über das eine Zeitung berichtet hat, oder? Falsch geraten! Die Formulierung stammt aus einer Urteilsbegründung des Landgerichts Köln, das als Berufungsgericht ein Urteil der Vorinstanz aufgehoben hat ( Az.: 152 Ns 59/15 ).

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Strafrecht und Opferschutz: Entschädigung nach Straftaten

Die problemlose Entschädigung nach Straftaten durchlief kürzlich ihre Reform. Allerdings zeigen Details einiges Potenzial zum Konflikt mit Verfassungsrecht.

Opfer müssen selber um verlorenes Vermögen mit zivilrechtlichen Verfahren ringen. Zwar lässt das Strafrecht den Verfall des Geraubten zu, dessen Rückgabe muss der Geschädigte jedoch mit einem Rechtstitel vollstrecken. Diesen diffizilen Vorgang ohne Gewinngarantie meiden daher etliche Opfer. Hier spielt im Falle mehrerer Opfer derselben Tat auch häufig eine Scheu sensiblerer Naturen mit, ihre Entschädigung aus begrenzten Ressourcen quasi im Wettstreit mit den übrigen Geschädigten zu ergattern.

Anspruchsvolle Reform

Im Vertrag der laufenden Koalition liegt bereits die Wurzel zur Beseitigung der Unwägbarkeiten von Entschädigungen. Tatsächliches Ziel der fraglichen Reform bleibt die Erleichterung der Abschöpfung speziell bei Vermögen mit unklarer Herkunft. Im Doppelschlag soll die entschädigende Rückgewinnungshilfe als wesentliches Hemmnis einer Abschöpfung verschwinden.

Im politischen Resultat liegt eine anspruchsvolle Grundreform der Vermögensabschöpfung mit neuen Sichtweisen und Prozeduren vor. Die Erneuerung der entsprechenden Opferentschädigung scheint erreicht, während der erleichterte Zugriff auf einzuziehende Ressourcen verfassungsrechtlich grenznah wirkt: Vom Bundesrat zuletzt propagierte zusätzliche Möglichkeiten schwingen wohl zum Teil über das Verfassungsrecht hinaus.

Das Konzept des Verfalls entfällt – dubiose Umkehr der Beweislast eingeführt

Die Basisreform verschont § 73 StGB als Kern der Abschöpfung von Vermögen. Die Legislative unterscheidet jedoch nicht mehr zwischen Verfall bzw. Einziehung: Letztere bleibt als umfassendes Prinzip des Confiscare, also des Vereinnahmens durch den Fiskus in dessen eigentlicher Rolle als öffentliche Hand.

Diese Erweiterung des Einziehens um eine unkontrollierte Aneignung von Vermögen ungeklärter Herkunft taumelt am Rande des Vertretbaren. Der Bundesrat wünscht gar eine Vereinheitlichung der Umkehrung der Beweislast, was wohl mit „in dubio pro reo“ kollidiert. Diese nagende Unsicherheit muss dann leider das Bundesverfassungsgericht aus dem Weg räumen – in mittlerweile trauriger Tradition der Umkehrung der politischen Arbeitslast.

 

Dies ist ein journalistischer Beitrag nach bestem Wissen und Gewissen. Der Recherchestand entspricht dem Veröffentlichungsdatum des Artikels.

Dieser Beitrag ersetzt ausdrücklich keine Rechtsberatung.

OLG Karlsruhe über den Salzgehalt in Kindersuppen

„Mild gesalzen“ – heißt das nun, dass etwas sehr wenig gesalzen ist? Oder meint es, dass etwas nicht unbedingt wenig Salz enthält, sondern nur nicht ganz so viel wie etwas anderes? Angesichts den Tatsachen, dass zu hoher Salzkonsum zu Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems führt, die Deutschen nach einer Studie den höchsten Salzkonsum weltweit haben und Kinder – mit ihrem geringeren Körpergewicht – noch viel weniger Salz vertragen als Erwachsene, ist ein Urteil vom 17. März 2016 des Oberlandesgerichtes Karlsruhe (Aktenzeichen: 4 U 218/15) von Verbraucherseite aus sehr wertzuschätzen. Denn mit diesem Urteil wurde klargestellt, dass die Bezeichnung „mild gesalzen“ ohne genauere Informationen gegen die Regelungen der „Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel“ (Health-Claims-Verordnung) verstößt.

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Urheberrecht / Filesharing: kein Generalverdacht für Anschlussinhaber

Das Amtsgericht Köln hat eine Klage in einem aktuellen Filesharing-Verfahren abgewiesen. Die Kölner Richter beziehen sich in ihrem Urteil vom 15. Februar 2016 (Az. 137 C 17/15) auf den Bundesgerichtshof, dessen Rechtsprechung keine Umkehr der Beweislast zum Nachteil eines abgemahnten Anschlussinhabers zulässt.

Hintergrund des Urteils

In diesem Fall hatte die Hamburger Kanzlei c-Law GbR dem Anschlussinhaber eine Abmahnung zugestellt, die ihm illegales Filesharing zu Lasten legt. Der Vorwurf lautete, dass der Internet-Nutzer den Film „Frances Ha“urheberrechtswidrig über eine Internet-Tauschbörse verbreitet haben soll. Die Kosten der Abmahnung beliefen sich auf 215 Euro zuzüglich des Schadenersatzes in Höhe von 735 Euro aufgrund der Urheberrechtsverletzung. Der Abgemahnte weigerte sich jedoch, die Summe zu zahlen. Er legte der Kanzlei dar, dass er sich zum fraglichen Zeitpunkt im Ausland aufgehalten hat. Während seiner Abwesenheit hätten andere WG-Bewohner den Zugang zu seinem Internetanschluss genutzt. Die abmahnenden Anwälte vertraten jedoch die Ansicht, dass der Anschlussinhaber einen Nachweis führen müsse, um diese Behauptungen zu untermauern.

Täterschaftsvermutung hinreichend erschüttert

Die eingereichte Klage der Hamburger Anwälte resultierte jedoch in einer Niederlage, da die Kölner Richter den Darlegungen des abgemahnten Anschlussinhabers folgten. Sie stuften die Täterschaftsvermutung als hinreichend erschüttert ein und begründeten diese Auffassung damit, dass die anderen WG-Bewohner tatsächlich für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich sein könnten.

Kein Beweis der Unschuld erforderlich

Generell ist es nicht die Pflicht eines Abgemahnten, seine Unschuld zu beweisen, da dies zu einer unzulässigen Umkehr der Beweislast führen würde. Vielmehr gilt der Abmahnende als darlegungs- und beweispflichtig. Aus diesem Grunde sollten sich Anschlussinhaber nicht einschüchtern lassen, wenn sie Post von Anwälten erhalten und zur Kasse gebeten werden. Können sie Fakten ins Feld führen, die eine Filesharing-Abmahnung als zweifelhaft ausweisen, stehen die Chancen nicht schlecht, als Gewinner aus einem Prozess hervorzugehen.

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Testament „schreiben“ ist nicht alles!

Wer seinen letzten Willen zu Papier gebracht hat, muss sich auch darüber Gedanken machen, wie das Schriftstück im Erbfall aufgefunden wird und die richtigen Hände kommt. Natürlich kann das Testament zuhause in den persönlichen Unterlagen aufbewahrt werden. Da es aber in den besten Familien durchaus vorkommt, dass ein vielleicht weniger bedachter Erbe das Schriftstück unterschlägt, verfälscht oder gar vernichtet, ist die Aufbewahrung zu Hause nicht unbedingt die beste Lösung.

Zur Sicherheit: Testament beim Amtsgericht hinterlegen!

Ein Testament kann beim Amtsgericht am Wohnort des Erblassers hinterlegt werden. Der Erblasser kann dort formlos beantragen, das Testament in Verwahrung zu nehmen. Er kann das Schriftstück offen oder in einem verschlossenen Umschlag abliefern. Das Nachlassgericht prüft nicht den Inhalt des Schriftstücks. Der Erblasser erhält über die Verwahrung einen Hinterlegungschein. Er kann sein Testament jederzeit ohne Angabe von Gründen aus der Verwahrung bei Gericht zurücknehmen, es ändern oder ergänzen und erneut hinterlegen. Die Rückgabe darf nur an den Erblasser persönlich und beim Ehegattentestament nur an beide Partner gemeinsam erfolgen.

Die Gebühr für die Hinterlegung und Verwahrung für Einzeltestamente und Ehegattentestamente beträgt pauschal und einmalig 75 EUR. Es nicht mehr wie früher der Wert des Vermögens maßgebend.

Registrierung beim Testamentsregister

Das Nachlassgericht ist verpflichtet, das hinterlegte Testament beim Zentralen Testamentsregister registrieren zu lassen. Das Register wird elektronisch von der Bundesnotarkammer in Berlin geführt. Dort waren im Jahr 2015 12.5 Millionen erbfolgerelevante Urkunden registriert. Allein 2015 wurden 675.000 neue letztwillige Verfügungen und 965.000 Sterbefallmitteilungen der Standesämter verarbeitet.

Das Testamentsregister speichert Angaben zum Erblasser, zur Urkunde und zum Nachlassgericht. Nicht gespeichert wird der Inhalt des Testaments. Dieses verbleibt stets in der Verwahrung beim Nachlassgericht.

Das Register berechnet für die Registrierung 18 EUR, für Ehegattentestamente fallen 36 EUR an. Im Sterbefall informiert das örtliche Standesamt das Testamentsregister. Das Register informiert das Nachlassgericht. Das Nachlassgericht eröffnet das Testament und informiert alle in Betracht kommenden Beteiligte.

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PHISHING! Banken sind beweispflichtig

Online-Banking ist bequem und einfach, aber auch mit Gefahren verbunden. Mit Phishing (gefälschten Webseiten, E-Mails oder SMS) können Betrüger an Passwörter und TANs gelangen. Phishing-Attacken sind deshalb auch immer wieder Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Wer haftet für den Schaden – der Kunde oder die Bank? Das LG Oldenburg hat jetzt eine sehr verbraucherfreundliche Entscheidung getroffen.

Im konkreten Fall (Urteil vom 15. Januar 2016, Az. 8 0 1454/15) ging es um 44 Überweisungen, die zu einem Verlust von über 11.000 Euro für den Kunden geführt hatten. Der Kläger hatte bereits 15 Jahre das von seiner Bank angebotene Online-Banking in Anspruch genommen. Zuletzt nutzte er das sogenannte mTAN-Verfahren, bei dem für jede einzelne Überweisung TAN-Nummern auf ein Mobiltelefon gesendet werden. Beim Kläger waren sowohl der Rechner als auch das Mobiltelefon von Schadsoftware befallen. Die Bank lehnte Schadensersatzansprüche ab, weil sich der Kläger Apps aus unsicheren Quellen heruntergeladen hätte. Diese hätten die unberechtigten Überweisungen erst möglich gemacht.

Der Kläger sei nach Auffassung des Gerichts jedoch Opfer eines hochprofessionellen und intelligenten Vorgehens geworden, sodass ihm zumindest keine grobe Fahrlässigkeit anzulasten sei. Die Richter betonten, dass die Bank grundsätzlich für die Autorisierung eines Zahlungsvorgangs durch den Kunden beweispflichtig sei. Die korrekte Eingabe von Benutzername, PIN und TAN allein genüge dafür nicht aus. Insofern sei ein Beweis des ersten Anscheins durch eine elektronische Aufzeichnung der Vorgänge ausgeschlossen. Dies ergebe sich schon aus der gesetzlichen Regelung in § 675w BGB. Den Kunden dagegen treffe keine Pflicht zu beweisen, dass er Opfer einer Phishing-Attacke geworden sei. Die Bank wurde deshalb zum Ausgleich des Schadens verurteilt.

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